Die Errungenschaften flexibler Arbeitszeiten werden - wenn ausgeschöpft - meist nur für die Nichtführungsränge gepriesen. Das Bild, dass Chefs nur rund um die Uhr ihrer Führungsrolle gerecht werden können, sitzt fest. Und ist definitiv maskulin geprägt - und es braucht jemanden im Hintergrund, der die Familie "schupft", der seine Zeit so einteilt, dass der Vollzeitchef einer sein kann; das sind überwiegend Frauen.

Auch wenn nun schon alle über die Knappheit Qualifizierter auf dem Arbeitsmarkt reden, sich um die Demografie Sorgen machen und die Limitierung ihres Geschäftes durch mangelnde "Humanressourcen" beklagen - radikal haben erst ganz wenige Unternehmen umgedacht, um das Potenzial - etwa der Frauen - auszuschöpfen. Der Pharmariese Baxter hat es getan. Frauen zeigen dort vor, dass auch Führung in Teilzeit klappt, wenn das Unternehmen dies ermöglichen möchte: 38 Prozent Frauen in Führungsposition in Österreich (zwei Drittel mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung) - eine ganze Reihe davon nicht Vollzeit.

Ulrike Weiß, Direktorin Human Resources (HR), war selbst die erste Teilzeit-Direktorin im Unternehmen: "Als ich meinen Vorgesetzten von meiner zweiten Schwangerschaft informiert habe, hat er mir im Gespräch von meiner bevorstehenden Beförderung zum Director HR berichtet", erzählt Weiß. Schwangerschaft und anstehende Karenz waren kein "Karrierehindernis".

Man wolle "hervorragend ausgebildete" MitarbeiterInnen in der Führungsebene eben auch dann erhalten, wenn Lebensumstände Vollzeitarbeit erschweren. Keinesfalls sollen Frauen in die Situation gedrängt werden, sich zwischen Beruf und Mutterrolle entscheiden zu müssen.

Theoretisch könnten sich Männer also auch für "sowohl als auch" entscheiden - vielleicht braucht es noch ein wenig Zeit, bis da eine kritische Masse sichtbar wird. Die Infrastruktur würde es erlauben: Betriebskindergarten von 5.30 bis 18.00 Uhr geöffnet, auch während der Schulferien. Weiß: "Teilzeitmodelle stehen und fallen mit der vorgesetzten Person, die solche Konzepte prinzipiell fördert. Und mit einem Team, das akzeptiert, dass Vorgesetzte nicht immer anwesend sind." Eine Frage der Unternehmenskultur.

Für diese wurde Baxter schon 2004 mit dem Bundespreis für den familienfreundlichsten Betrieb ausgezeichnet.

Wenn beide Seiten wollen

Gabriele Gold, verantwortlich dafür, dass in der Wiener Betriebsstätte alle Prozesse, Anlagen und Räume den Vorschriften und Richtlinien entsprechen, führt ein 44-köpfiges Team, darunter ein Mann in Karenz und zwei teilzeitarbeitende Mütter. Sie selbst hat zwei Kinder und arbeitet Montag bis Donnerstag - oder die 41-jährige Absolventin der Universität für Bodenkultur tauscht bei Bedarf ihre 34 Stunden gegen andere Tage ab: "Die Voraussetzung ist ein gegenseitiges Commitment. Die Führungsebene hat dafür den Boden bereitet - das macht für mich einen sehr großen Teil meiner Loyalität zum Unternehmen aus, diese Möglichkeiten sind nicht selbstverständlich."

Jeder Tag müsse aufs Neue organisiert werden, beschönigt Anita Rehberger (39), ebenfalls Absolventin der Bodenkultur, ihren 30-Stunden-Führungsjob nicht. Die Alleinerzieherin ist Chefin des Qualitätsmanagements im Baxter-Werk Orth an der Donau: "Aber eine gläserne Decke war für mich nie wahrnehmbar, dazu trägt auch bei, dass ich an eine Vorgesetzte berichte, die Frauen schon immer stark ermutigt und gefördert hat." Wer sich für Kind plus Karriere entscheide, der bekomme Befriedigung von beiden Seiten, sagt Rehberger. Was zentral sei? "Es geht in erster Linie um Selbstvertrauen, man muss wissen, dass man nicht weniger wert ist als ein Vollzeitmanager. Meiner Erfahrung nach ist der Output auch gleich - wer diese Arbeit so ausübt, ist jemand, der weiß, wie man bestmöglich Effizienz erzielt." Und die Männer? Rehberger: "Ich sehe uns auch als Role-Model für Väter in unserem Unternehmen." (Karin Bauer, DER STANDARD Printausgabe 20./21.8.2011)